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When a dream comes true.

grateful for the harvest

german, original // english below

Heute sitze ich hier, im Kofferraum meines Autos. Am schönsten Ort, den ich mir vorstellen kann, an einem wilden Fluss in stiller Natur und blicke auf meine Pferde, die friedlich auf der Wiese schlafen. Eine junge Bachstelze zwatzelt an mir vorbei und die Buchfinken picken die Haferkörner auf, die von der letzten Mahlzeit der Pferde übrig geblieben sind.

Es herbstelt schon langsam, die Nächte sind kühl und die Tage streifen langsam aber sicher den Sommer ab. Es ist eine Zeit in der meine Arbeitslust noch einmal aufflammt und in meinem Kopf ein Feuerwerk an Ideen und Visionen losgehen. Das Land auf dem ich lebe gestaltet sich vor meinem inneren Auge schon weit bevor ich Zeit finde, es mit meinen Händen zu gestalten.

Anderthalb Jahre bin ich jetzt hier.

Angekommen und doch irgendwie auf der Reise. Es hat eine Weile gedauert, bis ich fassen konnte, was passiert ist und der Umzug hat mich mitgenommen in tiefe, dunkle Schichten aus Erfahrungen von Einsamkeit, Überforderung und Orientierungslosigkeit, bis ich heute den Reichtum und die Kraft spüre, die mich umgeben. Die letzten Tage bin ich tief erfüllt mit Dankbarkeit für das Leben was ich habe, für die Erfahrungen, die ich gemacht habe, für all die Vorhaben die Gescheitert sind, die Frustrationen, die hohen Ansprüche die mich in die Knie gezwungen haben. Als wäre Erntezeit und als wäre es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass es mir gelingt zu verstehen, wofür die Entbehrungen und Anstrengungen der letzten Monate gut waren. Heute sehe ich die erste Ernte.

Mir fehlen die Worte, dieses Leben zu beschreiben.

Ein Leben mit der Natur und mit Pferden, die in einer beständigen Herde nahe an ihren Instinkten leben können. Das habe ich mir gewünscht. Und diese Herde ist zu meiner Familie geworden. Wir passen auf einander auf. Leben miteinander. Zwicken uns gelegentlich in den Hintern, vermissen einander und freuen uns über die Wiedersehen.

Die schönsten Momente sind still und meistens bemerke ich sie erst, wenn sie bereits wieder verblassen um im Herzen als Erinnerung weiter zu leben. Und ich könnte Himmel und Erde küssen, zu wissen, wie zuverlässig mein Leben heute mit solchen Momenten verwoben ist.

Vor 4 Jahren sass ich an diesem Fluss und fühlte einen Schmerz, als würde mein Herz zerreissen. Und ich gab mir selber ein Versprechen. Ich werde alles tun um dieses Gefühl von Lebendigkeit, was ich hier erlebt habe, in meinem täglichen Leben zu haben.

Damals war es unvorstellbar, auszuwandern, unvorstellbar, wie sich dieses Versprechen bewahrheiten sollte. Ich hatte nur eine Absicht: Ich werde einen Weg finden.

In diesem Fall, hat der Weg mich gefunden, viel eher als umgekehrt. Und im Gegenzug hat er mir einiges abverlangt um auf ihm zu bleiben.

Der Schmerz, den ich davor kannte, war nur ein Vorgeschmack für das was gefolgt war die letzten Monate.

Ich wollte ein neues Leben und habe gelernt, was es bedeutet, dafür ein anderes herzugeben.

Ich wollte lebendig sein und habe realisiert, was es bedeutet, präsent zu sein.

Ich wollte einen Traum leben und bin dafür streckenweise durch die Hölle gegangen.

Es ist und bleibt ein wilder Ritt. Mein Leben hat mich verschlungen und heute liebe ich es.

Die einzige Konstante, seit Anbeginn, die einzige Sicherheit, das Einzige was sich immer bewahrheitet hat, ist die Tatsache, dass alles vorübergeht. Die schönen Momente, genauso wie die schmerzhaften.

Ich lebe hier in einer der kältesten Gegenden Norwegens, wo der Frühling erst kommt, wenn du schon nicht mehr daran glaubst. Ein Ort an dem die Sonne zwei Monate komplett hinter dem Hügel verschwindet und mir die Tränen in die Augen schiessen, ich einen Freudentanz mache, wenn sie zum ersten Mal wieder über die Baumwipfel kommt. Das macht es aus und es lehrt mich jeden einzelnen Tag, der Realität ins Auge zu blicken und trotz allen Herausforderungen den Glauben an Wunder nah bei meinem Herzen zu behalten.

Vivienne Amrein

27.08.2022

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Today I am sitting here, in the boot of my car. In the most beautiful place I can imagine, by a wild river in silent nature, looking at my horses sleeping peacefully in the meadow. A young wagtail chirps past me and the chaffinches pick at the oat grains left over from the horses’ last meal.

It’s starting to get autumnal, the nights are cool and the days are slowly but surely stripping away the summer. It is a time when my desire to work flares up once more and a firework of ideas and visions go off in my head. The land I live on is forming in my mind’s eye long before I find time to shape it with my hands.

I have been here for one and a half years now.
Arrived and yet somehow on the journey. It took me a while to grasp what has happened and the move has taken me into deep, dark layers of experiences of loneliness, overwhelm and disorientation, until today I feel the richness and strength that surround me. The last few days I am deeply filled with gratitude for the life I have, for the experiences I have had, for the projects that have failed, the frustrations, the high demands that have brought me to my knees. As if it were harvest time and as if it were as certain as the Amen in the church that I will succeed in understanding what the hardships and efforts of the last months were good for. Today I see the first harvest.

I have no words to describe this life.

A life with nature and with horses that can live close to their instincts in a constant herd. That is what I have wished for. And this herd has become my family. We look out for each other. Live together. Pinch each other’s butts occasionally, miss each other and rejoice at the reunions.
The most beautiful moments are silent and most of the time I only notice them when they are already fading away to live on in my heart as memories. And I could kiss the sky to know how reliably my life is interwoven with such moments today.

Four years ago, I sat by this river and felt a pain as if my heart would tear apart. And I made a promise to myself. I will do everything I can to have this feeling of aliveness that I experienced here in my daily life.

At that time it was unimaginable to emigrate, unimaginable how this promise would come true. I had only one intention: I will find a way.

In this case, the path found me, much sooner than the other way around. And in return, it demanded a lot of me to stay on it.
The pain I knew before was only a foretaste of what followed the last months.
I wanted a new life and learned what it meant to give up another one.
I wanted to be alive and realised what it means to be present.
I wanted to live a dream and went through hell for it.

It’s been a wild ride. My life has engulfed me and today I love it.
The only constant, since the beginning, the only certainty, the only thing that has always proven true, is the fact that everything passes. The beautiful moments as well as the painful ones.
I live here in one of the coldest parts of Norway, where spring only comes when you no longer believe it will. A place where the sun disappears completely behind the hill for two months and tears come to my eyes when it first comes back over the treetops in February. That’s what it’s all about and it teaches me every single day to face reality and to keep faith in miracles despite all the challenges.

Vivienne Amrein

27.08.2022